Der Pflichtteil

Jeder Person steht es grundsätzlich frei, ihre Erbfolge nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Hierzu zählt auch die Entscheidung, die eigenen Kinder oder Eltern durch ein Testament oder einen Erbvertrag vom Erbe auszuschließen, sog. Enterbung. Eingeschränkt wird dieses Recht zur freien Gestaltung der eigenen Erbfolge im gesetzliche Pflichtteilsrecht.

Der Pflichtteilsanspruch sichert einer begrenzten Personengruppe eine Mindestbeteiligung am Nachlass, auch wenn der Erblasser den Willen zum Ausdruck gebracht hat, dass diese Personen keinerlei Werte erhalten sollen. Die Pflichtteilsberechtigten erhalten zwar keinen Erbanteil und somit auch keine Beteiligung an den Gegenständen des Nachlasses, wie etwa Immobilien, Schmuck oder Erinnerungsstücken. Sie können aber von den Erben die Zahlung eines Geldbetrages fordern, der der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteiles entspricht.

 

1. Die Pflichtteilsberechtigten

Ein Anspruch auf den Pflichtteil entsteht gemäß § 2303 BGB grundsätzlich dann, wenn Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkelkinder etc.), der Ehegatte des Erblassers oder die Eltern des Erblassers von der Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen (Testament/Erbvertrag) ausgeschlossen sind, obwohl ihnen gesetzlich ein Erbteil zugestanden hätte.

Hatte der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalles beispielsweise Kinder (sog. Abkömmlinge), wären seine Eltern von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Daher stünde ihnen auch kein Pflichtteilsanspruch zu.

2. Der Pflichtteilsanspruch

Der Pflichtteilsberechtigte wird weder Erbe noch wird er Teil der Erbengemeinschaft. Vielmehr steht ihm ein Anspruch gegen die Erben zu, der auf Zahlung eines reinen Geldbetrages gerichtet ist. Er ist daher weder an den vorhandenen Vermögenswerten als (Mit-)Eigentümer berechtigt noch haftet er für die Schulden des Erblassers.

Flankiert wird dieser von einem umfassenden Auskunftsanspruch gegen die Erben, sodass der Pflichtteilsberechtigte die Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses fordern kann, aus dem sämtliche Vermögensgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten (d.h. die Schulden des Erblassers und die Kosten des Erbfalles, wie etwa der Beerdigung) zum Zeitpunkt des Erbfalles hervorgehen müssen. Hat der Pflichtteilsberechtigte Zweifel an der erteilten Auskunft, so kann er die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte verlangen und als letzte Option die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses fordern.

3. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch

Oftmals versucht der Erblasser zu Lebzeiten das eigene Vermögen durch Schenkungen an seine Erben zu verringern, damit dem Pflichtteilsberechtigten lediglich ein wertloser Pflichtteilsanspruch zusteht. Da der Schutz des Pflichtteilsberechtigten ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, besteht mit § 2325 BGB – dem sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch – ein Anspruch auf eine ergänzende Zahlung, der den Pflichtteilsberechtigten so stellen soll, wie er ohne die Schenkungen des Erblassers gestanden hätte. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Wert der Schenkung über einen Zeitraum von zehn Jahren abschmilzt und sowohl im Zeitpunkt der Schenkung als auch im Zeitpunkt des Erbfalles bemessen werden muss. Dies hat zur Folge, dass die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches oftmals ein hohes Fehlerpotenzial für den Pflichtteilsberechtigten birgt.

4. Das richtige Vorgehen

Der Pflichtteilsanspruch wird mit dem Erbfall fällig, sodass der Pflichtteilsberechtigte unverzüglich tätig werden und Auskunft von den Erben fordern muss. Hierbei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, da oftmals nicht bekannt ist, wer die Erben sind und welche Position richtigerweise in einem Nachlassverzeichnis aufgeführt werden dürfen. In der Praxis werden oftmals diverse Verbindlichkeit von den Erben behauptet, obwohl diese nicht in Ansatz gebracht werden dürfen.

Demgegenüber sehen sich die Erben ab dem Erbfall nicht nur der emotionalen Belastung des Verlusts einer nahestehenden Person, sondern auch einer Vielzahl ungewohnter rechtlicher Fragestellungen ausgesetzt. Den Forderungen eines Pflichtteilsberechtigten zu genügen, stellt hierbei oft eine der größten Herausforderungen dar. Erben neigen daher dazu, die Forderungen der Pflichtteilsberechtigten einstweilen zu ignorieren und setzen sich so der Gefahr einer Klageerhebung und weiterer unnötiger Kosten aus.

Da sowohl die Durchsetzung des eigenen Pflichtteilsanspruches als auch die Stellung als pflichtteilsverpflichteter Erbe höchst komplex sind, empfiehlt es sich in diesen Fällen daher stets, frühzeitig anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Wir beraten Sie im Hinblick auf die richtige Strategie sowohl bei der Durchsetzung ihres Pflichtteilsanspruchs, der Ihnen als Pflichtteilsberechtigter zusteht, als auch bei der rechtssicheren Auskunftserteilung und der Abwehr überhöhter Pflichtteilsforderungen, die gegen Sie als Erben gestellt werden.

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